Ich gebe es zu: Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch. Konflikte anzusprechen und auszutragen, kostet mich Überwindung und viel Energie. Lange Zeit habe ich versucht, Konflikten aus dem Weg zu gehen, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Im Nachhinein stellte sich heraus: Das war nicht nur erfolglos, sondern meist auch kontraproduktiv. Als Führungsperson musste ich lernen, dass das bewusste, mutige Angehen von Konflikten der einzige Weg ist, um langfristig Vertrauen und Zusammenarbeit zu stärken.
Konflikte – Hürden oder Superkräfte? Konflikte – ob laut oder still – hemmen die Produktivität, kosten Energie und schlagen auf Wohlbefinden, Zufriedenheit und Motivation. Sie können buchstäblich krank machen. Gleichzeitig tragen Konflikte enormes Potenzial in sich. Werden sie offen geklärt, setzen sie bemerkenswerte Kräfte frei. Konflikte lauern überall: Zwischen Generationen, durch Hierarchien oder Kommunikationsstile, im Grossraumbüro oder an der Kaffeeecke. |
Doch eine effektive Konfliktkultur etabliert sich nicht von heute auf morgen. Und sie verlangt Arbeit auf sämtlichen Ebenen – der Ebene des Individuums, des Teams und der Organisation. Drei Grundprinzipien, wie wir es schaffen, eine Kultur zu etablieren, in der Konflikte ehrlich, empathisch und auf Augenhöhe ausgetragen werden können:
👉 Erstens, müssen wir wegkommen von Schuldzuweisungen und Bestrafungen. Noch immer ertappe ich mich zu oft dabei, in Konfliktsituationen dem Muster und der damit verbundenen Frage «Wer hat Schuld und warum?» zu folgen. Doch das Denken in Schuldzuweisungen und Bestrafungen führt tatsächlich selten zu echter Klärung. Richten wir den Fokus stattdessen auf individuelle Verantwortlichkeit und ganzheitliche Problemlösungen adressieren wir die Ursachen nachhaltig. Die richtige Frage in Konflikten lautet also: «Was kann ich, was können wir tun, um das Problem zu lösen und dafür zu sorgen, dass es nicht noch einmal auftaucht?». Dem zugrunde liegt die Haltung einer offenen Lernkultur.
👉 Zweitens, ist das Etablieren einer Konfliktkultur mehr als eine Frage der Zeit. Im Berufskontext ist Zeit Geld, und was nicht im Kalender steht, findet meistens auch nicht statt. Wenn es um Konflikte geht, lohnt es sich allerdings, in Beziehungen zu investieren – denn sie sind der Schlüssel zur erfolgreichen Konfliktprävention und Konfliktklärung. Entsprechend erfordert eine nachhaltige Konfliktkultur feste Strukturen wie bilaterale Feedbacks, Retrospektiven oder Mediationsformate.
👉 Drittens, wir müssen anfangen, offen über Gefühle zu sprechen – auch über negative Gefühle wie Wut, Angst oder Neid. Gefühle sind ein wertvolles Feedbacksystem, das Vertrauen und gegenseitiges Verständnis fördert. Gleichzeitig betreffen Konflikte selten nur Einzelne: Sie wirken auf das gesamte Team, bewusst oder unbewusst. Deshalb ist es oft effektiver, Konflikte gemeinschaftlich zu klären. Ein zentraler Schlüssel zur Konfliktlösung bleibt die Kommunikation – doch sie ist kein Selbstläufer. Das Gesagte wird häufig anders verstanden, als gemeint. Hier helfen Nachfragen, Paraphrasieren, um Missverständnisse abzubauen und echte Klärung zu ermöglichen.
Und hier ein paar hilfreiche Methoden für den Alltag
Bedürfnisgläser
Miteinander etwas trinken zu gehen stärkt den Teamgeist – aber manchmal braucht es mehr, um wirklich nachhaltige Veränderungen zu schaffen. 🧠 Diese Methode mit «Gläsern» geht einen Schritt weiter: Sie hilft euch als Team, gezielt auf Bedürfnisse einzugehen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und die Zusammenarbeit langfristig zu verbessern. Und so geht‘s:
🧘♂️ Reflexion (5 Min): Jedes Teammitglied überlegt individuell für sich, welche Bedürfnisse es aktuell hat, und zeichnet für jedes ein «Glas». Der Füllstand zeigt an, wie erfüllt das Bedürfnis gerade ist.
🗣️ Austausch (5–10 Min): Stellt euch eure Gläser jetzt gegenseitig vor. Stellt Verständnisfragen und hört zu.
✍️ Gedanken festhalten (5 Min): Jedes Teammitglied notiert für sich, was ihm beim Betrachten der Gläser durch den Kopf geht. Schreibt ohne zu bewerten.
🤝 Diskussion (5–10 Min): Teilt eure Eindrücke und überlegt gemeinsam: Welche Veränderungen fallen auf? Gibt es neue Gläser? Was hat sich seit der letzten Übung geändert?
🎯 Teamziele setzen (5 Min): Entscheidet gemeinsam, ob ihr konkrete Massnahmen definieren und umsetzen möchtet, um bestimmte Bedürfnisse besser zu erfüllen.
Beispiele für Bedürfnisse sind: Erholung, Unterstützung, Kreativität, Sicherheit, Freude, Entwicklung, Wertschätzung, Zugehörigkeit, Kooperation, Selbstbestimmung, Effizienz und Harmonie.
Drei Wahrnehmungspositionen in Konflikten
The Circle Way
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